In diesem offenen Brief erklärt Hannes Neupert die Vorgänge, die zur verfahrenen Situation um das denkmalgeschützte Schulgebäude geführt haben, und bittet die Ministerpräsidentin des Landes Thüringen um Unterstützung.
Betreff: Abrissgenehmigung für die denkmalgeschützte „Alte Schule“ in Tanna
Bezugnehmend auf meine E-Mail-Nachricht vom 21.03.2012 um 07:44:48 MEZ
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,
für die Reaktion auf meine E-Mail-Nachricht danke ich. Wie ich anlässlich des Telefonates mit Ihrem Büro mitteilte, wollte ich noch ergänzende Informationen nachreichen. Mittlerweile war es mir auch möglich, einen ersten Blick in die Verwaltungsakte zu werfen. Danach teile ich Folgendes mit.
1. Das zu Grunde liegende Verfahren gibt Anlass zu Bedenken.
Nach § 14 Abs. 3 ThürDSchG entscheidet die untere Denkmalschutzbehörde über den Erlaubnisantrag nach Anhörung der Denkmalfachbehörde. Das Landratsamt ist demnach an die fachliche Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie gebunden. Wenn das Landratsamt beabsichtigt, von der Stellungnahme des Landesamtes abzuweichen und eine Einigung nicht zustande kommt, hat die obere Denkmalschutzbehörde, also das Landesverwaltungsamt, zu entscheiden.
Die Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie verstehe ich im Ergebnis so, dass die Denkmaleigenschaft der Alten Schule in Tanna ausdrücklich bestätigt und eine Erhaltung dieses Denkmals als zumutbar angesehen wird. Das Landratsamt sieht die Alte Schule in Tanna auch als Denkmal an, hält eine Erhaltung dieses Denkmals aber für nicht zumutbar. Es informiert daher die obere Denkmalschutzbehörde. Die obere Denkmalschutzbehörde nimmt daraufhin – für mich unverständlich – an, dass ein Dissens im Sinne von § 14 Abs. 3 ThürDSchG nicht vorliege. Begründet wird dies u. a. damit, dass zur Denkmaleigenschaft kein Dissens bestehe.
Meiner Ansicht nach besteht jedoch ein deutlicher Dissens. Denn das Landratsamt sieht die Erhaltung dieses singulären Denkmals – entgegen der Stellungnahme des Landesamtes – als unzumutbar an. Nach meinem Verständnis von § 14 Abs. 3 ThürDSchG hätte daher die obere Denkmalschutzbehörde nach Anhörung der Denkmalfachbehörde entscheiden müssen.
2. Auch die der Abrissgenehmigung zu Grunde liegende Ermessensentscheidung halte ich für bedenklich.
Dies gilt im Hinblick auf die Einbeziehung bekannter Tatsachen. Dies gilt aber auch im Hinblick auf Umstände, die die Antragstellerin dem Landratsamt im Rahmen der Antragstellung überhaupt nicht und teilweise falsch mitteilte.
Wenn eine Kommune gegenüber einem privaten Eigentümer eine gesteigerte Erhaltungspflicht hat, dann kann auch nicht jeder Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie zum Wegfall der Erhaltungspflicht führen. Vorstellbar ist dies meiner Ansicht nach allenfalls nur bei einem besonders gesteigert unzumutbaren Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie.
Mit anderen Worten: Nicht jeder beliebige Stadtratsbeschluss kann als Grundlage für den Abriss eines schützenswerten Denkmals herhalten!
3. Der Ermessenabwägung wurde eine unzureichende Wirtschaftlichkeitsberechnung zu Grunde gelegt.
Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen der Stadt Tanna erscheinen lebensfremd. Zudem verlangt wohl auch die Rechtsprechung (VGH München) das Feststehen einer späteren Nutzung bei jeder Wirtschaftlichkeitsberechnung. In diesem Fall wird die Abrissvariante nur irgendwelchen theoretischen Konstellationen entgegengesetzt.
Dabei bleibt auch jegliche wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit außer Betracht. Eine solche wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit könnte sich schon allein aus dem ursprünglich geplanten Verkauf der Immobilie für einen Kaufpreis von 1,00 EUR an mich ergeben. In diesem Fall würde ein „Gewinn“ von 1,00 EUR vorliegen. Die Stadt Tanna rechnet sich stattdessen arm, indem sie theoretische eigene Sanierungsaufwendungen theoretischen Nutzungsmöglickeiten gegenüberstellt, was in allen Konstellationen zu einem Verlust führt.
Eine ordnungsgemäße Wirtschaftlichkeitsberechnung muss auch eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Investors berücksichtigen. Darauf hat das Landesamt für Denkmalpflege mit Schreiben vom 20.02.2012 (d. h. nach Erlass der Abrissgenehmigung!) ausdrücklich hingewiesen.
4. Aber selbst die bisherige Wirtschaftlichkeitsberechnung der Stadt Tanna ist fehlerhaft.
Hier fehlt es nicht nur an der feststehenden späteren Nutzung (vgl. oben), sondern auch an einer Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen bei Investitionen in denkmalgeschützte Gebäude. Ebenso wenig wurden mögliche Fördermittel berücksichtigt.
5. Ich bin schon seit mindestens sieben Jahren daran interessiert, die denkmalgeschützte Alte Schule in Tanna zu nutzen und für diese Zwecke zu sanieren.
Ich bin auch nach wie vor daran interessiert!
Es handelt sich dabei auch nicht nur um Lippenbekenntnisse. In Erwartung dieses Projektes war in der Vergangenheit bereits eine Menge geschehen. Ich hatte auch erhebliche finanzielle Aufwendungen.
Zur Verdeutlichung meines Nutzungswillens weise ich auf die nachfolgende Aufstellung einer Reihe von Ereignissen hin:
27.06.2005 Stadtratssitzung mit Projekterläuterung in der Ausstellungshalle des Vereins Extra Energy e.V., davor Projektbesprechung mit Bürgermeister Seidel
19.07.2005 Planungsbeginn/Projekteröffnung bei dem Architekten Klaus Neupert
08/2005 Bestandsaufnahme
03.04.2006 erneute Projekterläuterung durch Hannes Neupert während der Sitzung des Stadtrates der Stadt Tanna
19.06.2006 Stadtratsbeschluss: Verkaufsverhandlungen mit ExtraEnergy e.V.
07.07.2006 Einreichung des Bauantrages
12.10.2006 Erteilung der Baugenehmigung
23.01.2007 Gespräch im Landesverwaltungsamt, anwesend: Frau Heinemann, Herr Bechstedt, Bürgermeister Seidel, Hannes und Klaus Neupert
07.05.2007 Entwurf eines Kaufvertrages durch Notar Werner
23.07.2007 Stadtratsbeschluss: Verkauf der Alten Schule an Hannes Neupert
25.07.2007 Schreiben der Stadt Tanna an Hannes Neupert u.a. mit der Ankündigung des Abschlusses eines Notarvertrages, Festlegung des Kaufpreises auch nach den Abrissarbeiten
Sommer 2007 Teilabbrucharbeiten bis Ende August
21.02.2008 Nierentransplantation bei Herrn Klaus Neupert, die Stadt Tanna war informiert, dies bedeutete einige Monate Krankenhausaufenthalt, weshalb die Bemühungen um Fördermittel usw. zeitweise nicht weiterbetrieben werden konnten
März 2008 Redaktionsschluss der Broschüre „Brachflächen? Revitalisiert!“ zu dem „Modellprojekt zur Inwertsetzung von Brachflächen in den Landkreisen Greiz und Saale-Orla 2006/2007“, durch die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) Thüringen mbH für den Freistaat Thüringen veröffentlicht, die Alte Schule in Tanna ist in das Programm aufgenommen
15.07.2008 Baukostenberechnung nach Bauteilen in drei Varianten
23.07.2008 Gesprächsprotokoll über Projektstand an Bürgermeister Seidel übersandt
17.08.2008 Planerstellung, Ausführungspläne
26.08.2008 Gesprächsprotokoll mit H. Kube von der Leader Arbeitsgruppe an Bürgermeister Seidel versandt
18.09.2008 Gesprächsprotokoll mit Euregio Plauen über sog. Ziel-3-Förderung mit Herrn GF Schulz an Bürgermeister Seidel versandt
14.10.2008 Gesprächsprotokoll mit Euregio Plauen über sog. Ziel-3-Förderung mit Herrn GF Schulz und Frau Dr. Fritz Sächsische Aufbau Bank (SAB) an Bürgermeister Seidel versandt
07.12.2008 Gespräch Architekt Klaus Neupert mit Bürgermeister Seidel im Büro 08.01.2009 Gesprächsprotokoll mit Thüringer Aufbaubank Frau Fulle mit Kostenangaben für Vollausbau an Bürgermeister Seidel versandt
13.01.2009 Antwortschreiben der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) auf die schriftliche Anfrage Hannes Neupert und ExtraEnergy e.V. vom 11.11.2008
13.01.2009 Stellungnahme Untere Denkmalschutzbehörde an Bürgerm. Seidel versandt
03.03.2009 Gespräch in der DBU mit Herrn Pyel und Herrn Töpfer
01.04.2009 Schriftliche Bitte an Bürgermeister Seidel wegen Terminvereinbarung mit Thüringer Landesverwaltungsamt (TLVA), Frau Heinemann, übersandt
24.05.2009 Termin bei der GfAW in Gera, Herr Martz
26.05.2009 Bürgermeister Seidel teilt per E-Mail die Absage des Kaufes mit und berichtet über den Stadtratsbeschluss
27.05.2009 Stichtag für die unter Federführung der LEG Thüringen veröffentlichten Liste zu den Objekten/Gebäuden „Inwertsetzung von Brachflächen“, darin ist das Nutzungskonzept des Extra Energy e.V. als Objekt-Nr. 339 ausdrücklich aufgenommen unter hoher Priorität, diese Liste wurde im Frühjahr 2009 aktualisiert nach ausdrücklicher Zustimmung des Bürgermeisters Seidel gegenüber der LEG Thüringen mbH (Frau Brandler, Herr Zill) zum Nutzungskonzept ExtraEnergy e.V.
04.06.2009 Schreiben an Bürgerm. Seidel und Stadtrat mit Gesamtdarstellung übersandt
11.08.2009 Schreiben an Bürgerm. Seidel und Stadtrat übersandt mit der Bitte, den Kaufvertrag abzuschließen
31.08.2009 Gemeinsame Sitzung Stadtrat, Kirchgemeinderat mit Projekterläuterung
28.09.2009 Stadtratsbeschluss zum Abbruch der Alten Schule
Soweit ich dies beurteilen kann, hat die Stadt Tanna im Verfahren um die Abbruchgenehmigung mein nach wie vor bestehendes Nutzungsinteresse nicht bekanntgegeben. Leider passt dies auch in das Bild, das ich im Laufe der Jahre gewonnen habe. Es ging der Stadt Tanna mutmaßlich nie darum, ein denkmalgeschütztes Gebäude zu erhalten, Zukunftstechnologien und Besucher in die Stadt Tanna zu ziehen und gleichzeitig damit die Innenstadt wiederzubeleben. Es ging wohl einzig und allein darum, die Vorstellung des Bürgermeisters Seidel zur Schaffung einer Fläche für den Weihnachtsmarkt umzusetzen, obwohl nun seit vielen hundert Jahren der nach wie vor vorhandene große Markplatz für den Weihnachtsmarkt ausreichte.
6. Denkmalpflege ist bekanntlich eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang
(vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 02.03.1999, BVerfGE 100, 226, 242; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.04.2009, Az. BVerwG 4 C 3.08).
Die Pflicht zur Erhaltung von Denkmalen ist ggf. staatlicherseits durch Zuschüsse sicher zu stellen. Diese Zuschüsse ihrerseits sichern wiederum die Zumutbarkeit der Erhaltung des Denkmals.
Und wenn selbst dies nicht möglich sein sollte, bietet das Denkmalschutzgesetz die Möglichkeit der Enteignung, um ein Kulturdenkmal in seinem Bestand oder Erscheinungsbild zu erhalten, § 27 ThürDSchG. Ebenso wäre die Versagung der Abrissgenehmigung unter Berücksichtigung der Möglichkeiten gem. § 28 ThürDSchG zu prüfen (Übernahme des Eigentums gegen Entschädigung).
Die Abrissgenehmigung des Landratsamtes setzt sich leider mit diesen Möglichkeiten nicht auseinander. Dies halte ich auch für ermessensfehlerhaft.
7. Nach alledem halte ich es für erforderlich, die Abrissgenehmigung zu revidieren und hier auch möglichst umgehend zu handeln.
Denn angesichts der bestehenden Abrissgenehmigung könnte das Denkmal jederzeit abgerissen werden!
Ich bitte Sie sich hier persönlich für den Erhalt der alten Schule in Tanna einzusetzen. Als ehemals kirchliche Schule ist Sie ein wichtiger Bestandteil des Kirchgutes und ein kirchliches Baudenkmal welches in seiner art in Thüringen einmalig ist. Es gehört zu der Einheit des Kirchgutes welches vom Deutschritter Orden gegründet wurde. Eventuell könnten Sie mir da auch In ihrer Funktion bei der Stiftung KiBa helfen.
Es wäre wirklich tragisch, wenn in Tanna ein Stück Stadtbildprägendes Kulturgut ohne triftigen Grund vernichtet würde. Und mit diese auch ein Stück Zukunft, bestehend aus qualifizierten Arbeitsplätzen, Besuchern die in Tanna sich nicht nur zu Leicht Elektrofahrzeugen weiterbilden würden, sondern auch für die örtliche Hotellerie und Gastronomie eine wichtige Stütze darstellen könnten.
In 2011 hatten unsere Gäste schon für rund 1200 Übernachtungen gesorgt. Die Zahl könnte sich mit dem Ausbau der Alten Schule zur Konformitäts-Zertifizierungsstelle des EnergyBus e.V. und seiner Tochter der EnergyBus GmbH noch vervielfachen. Wenn wir dieser Stelle keine adäquate Bleibe mit Bezug zu den anderen korrelierenden Institutionen des ExtraEnergy e.V. und der ExtraEnergy Test GmbH gefunden werden kann, dann droht aktuell eine Abwanderung nach Saarbrücken. Aufgrund der enormen Verzögerungen mit der Alten Schule habe ich schon den Sitz des BATSO e.V. nach Berlin verloren.
Für den Fall, dass Sie weitere Informationen benötigen, bitte ich um einen Hinweis. Bei mir existieren umfangreiche Unterlagen zu dem gesamten Vorgang.
Ich danke Ihnen,
Mit freundlichen Grüßen
Hannes Neupert
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